Andrea Milz, Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt, lud zum Kaffee, und Ralf Schreiber, seit 50 Jahren ehrenamtlich aktiv im Schachsport, Ralf Niederhäuser, Präsident des Schachbunds NRW, und die Initiatoren des Treffens FSR Jürgen Wischumerski und RSR Heike Wöst kamen.

Als Staatssekretärin kümmert sich Frau Milz sozusagen von Amts wegen um den Sport. Selbst Mitglied im Schachverein Empor Maulwurf e.V. in Bonn und Trainerin beim Turnverein Eiche e.V. in Bad Honnef, sah der Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, in ihr die ideale Besetzung. Seitdem hat sie zwar noch weniger Zeit für Schach, setzt sich aber intensiv für die Förderung des Sports ein. Ob Rodeln oder Leichtathletik: Wo Sportler aus NRW starten, ist sie dabei. Genauso wichtig wie Leistungssport ist ihr, Aufmerksamkeit für ehrenamtliches Engagement zu schaffen und Menschen zu ehren, die sich engagieren.

Als sie hörte, dass Ralf Schreiber seit 50 Jahren im Schach aktiv ist, ließ sie es sich nicht nehmen, ihn persönlich in die Staatskanzlei einzuladen. Bei Kaffee und Keksen drehte sich das Gespräch zunächst um sein langjähriges Engagement. Vom Jugendsprecher seines Vereins bis zum Breitensportreferenten des DSB hatte er in seiner langjährigen ehrenamtlichen „Karriere“ schon so manches Amt inne. Auch seine fünfmalige Teilnahme am Finale der Deutschen Schach Amateurmeisterschaft weckte Interesse.

Spannend wurde es, als er über sein Projekt „Schach für Kids“ berichtete, das er vor 12 Jahren ins Leben gerufen hat. Schach ist hier nicht in erster Linie Sport, sondern wird als pädagogisches Mittel zur Entwicklungsförderung eingesetzt. Nach einer intensiven Schulung der Erzieherinnen, entwickeln die Kinder ihre kognitiven und sozialen Fähigkeiten.

Inzwischen treten nicht nur Schulen aus Deutschland, Russland und den USA gegeneinander an. Auch gibt es erste Kooperationen zwischen Kindergärten und Senioreneinrichtungen. Denn die teilweise dementen Senioren profitieren enorm vom Kontakt mit den Kindern und von pädagogischen Konzept von Schach für Kids.

Frau Milz bedauerte, dass sie auf Grund ihrer zahlreichen Aufgaben nur noch wenig Zeit für Schach hat. Es kam also, wie es kommen musste. Zum Ende des Termins spielte sie gegen Ralf Schreiber eine Partie, deren Ausgang noch fröhlich kommentiert wurde.

In diesem Zusammenhang hat André Schulz von ChessBase mit der Staatssekretärin Andrea Milz das wir hier gerne mit abbilden:

In den 1980er und 1990er Jahren, als sie bei verschiedenen Schachturnieren teilnahmen, gab es kaum Frauen, die Turnierschach gespielt haben. Können Sie sich noch an die Zeit erinnern? Wie war das, als eine von ganz wenigen Frauen in einem von Männern dominierten Sport mitzumachen? Gab es besonders angenehme oder unangenehme Erinnerungen?

Natürlich erinnere ich mich! Ganz oft war ich das einzige Mädchen und später die einzige Frau, die irgendwo mitgespielt hat – sowohl in unserer Liga als auch bei offenen Turnieren, die es überall gab. Eine Partie habe ich besonders in Erinnerung: nachdem ein Spieler bereits das zweite Mal gegen mich verloren hatte, schmiss er das Brett mitsamt allen Figuren quer durch den Raum und verließ wütend das Lokal. Das hätte er nach einem verlorenen Spiel gegen einen Mann nie getan!

Wie kamen Sie damals zum Schach?

In meiner Schule, der Realschule am Petersberg, gab es eine Klasse mit Schwerpunkt Mathematik und Naturwissenschaften. In dieser Klasse gab es nur vier Mädchen und so habe ich alles gelernt, was die Jungs so machten: vom Skatspielen bis zum Schachspielen.

Wie lange haben sie aktiv als Turnierspielerin gespielt? In welchen Vereinen waren sie aktiv?

Angefangen habe ich natürlich in Königswinter-Dollendorf; der Verein ging dann in Bonn-Beuel auf, und zuletzt habe ich einige Jahre für den Verein Empor Maul Wurf gespielt – eigentlich eine kleine Schulmannschaft des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums, die ich in der Straßenbahn kennengelernt habe und mit der ich noch heute verbunden bin. Vom 14. Lebensjahr bis zu meinem Einzug in den Landtag 2000 war ich aktiv als Turnierspielerin, danach waren die Sonntage eher nicht mehr frei.

Was hat ihnen die Beschäftigung mit dem Schachspiel gegeben? Hatten Sie Unterricht oder Training?

Für mich war das Schachspiel eine besondere Herausforderung an Konzentration und Geist neben den kreativen Hobbys, die ich sonst so hatte. Natürlich habe ich an den Trainingsabenden der Vereine teilgenommen.

Verfolgen Sie heute noch Schachturniere, z.B. im Internet und haben Sie noch Zeit, selber zu spielen?

Nein, leider.

Welches waren ihre Lieblingseröffnungen? Sind Sie Angriffsspielerin oder versuchen Sie eher mit langfristigen Strategien zum Erfolg zu kommen?

Lieber mit Glanz und Gloria untergehen als zu hoffen, dass es nach vielen Stunden doch noch was wird 😉 Mit Weiß habe ich immer mit e4 angefangen…

Wie kamen Sie zur Politik? Was hat sie motiviert sich auf dieser Ebene zu engagieren?

Zur Politik habe ich mit 17 Jahren gefunden: zum einen durch einen guten politischen Unterricht in der Schule, zum anderen durch einen Sommerferienjob, bei dem ich Mitglieder der Jungen Union kennengelernt habe und motiviert wurde, selbst mitzumachen. Dabei habe ich jedoch nicht gleich die CDU gewählt, sondern mir erst alle Programme der damals existierenden Parteien besorgt und dann geschaut, wer am besten zu mir passt: ca. 70% Übereinstimmung mit der CDU haben dann den Ausschlag gegeben.

Haben Sie durch ihr Schachspiel Dinge gelernt, die man auch im Leben oder in der Politik erfolgreich einsetzen kann?

Natürlich! Strategie und Taktik, Gewinnen und Verlieren akzeptieren, nicht aufgeben, wenn es mal eine Saison schlecht läuft und immer mal wieder Neues auszuprobieren, bevor es langweilig wird 😉

Sie gelten als „extravagant“, sind aber offenbar für ihre Wähler sehr authentisch, denn Sie wurden seit 2000 fünfmal in ihrem Wahlkreis Rhein-Sieg direkt als Abgeordnete für den NRW-Landtag gewählt. Als Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt in der Staatskanzlei sind Sie nun aber Beamtin und mussten ihr Landtagsmandat aufgeben. Was können Sie dort mehr bewirken als sie als Abgeordnete konnten?

Als Staatssekretärin speziell für Sport und Ehrenamt kann ich viel erreichen für diese beiden Zielgruppen, und die sind riesig in NRW! Als Abgeordnete ist man doch immer eher lokal eingebunden, das kann man gar nicht vergleichen. Und, das können Sie mir glauben, ob Beamtin oder nicht, die Person Andrea Milz bleibt immer bunt, ausgefallen und Rheinländerin!

Im Vergleich zur der Zeit, als Sie mit dem Schach anfingen, gibt es heute deutlich mehr Mädchen und Frauen, die Schach spielen. Insgesamt gesehen, ist aber der Anteil der Frauen im Deutschen Schachbund unglaublich gering, liegt nur bei etwa 7%. Woran liegt das, und wie könnte man das ändern?

Da gibt es sicher viele Gründe. Ich glaube, Mädchen sind sehr vielseitig interessiert und pflegen mehrere Hobbys nebeneinander. Da sind lange Schachpartien eher hinderlich, man will ja noch kreativ sein, sich bewegen, Freundinnen treffen, tanzen gehen usw. Ändern kann man es evtl., wenn sich in einer Region Vereine zusammentun, um Mädchen anzusprechen und zu fördern: dann ist man als Spielerin nicht mehr allein, sondern mit anderen Mädchen zusammen, was das Ganze leichter macht. Wir sind ja nun mal soziale Wesen …

Die Sportvereine haben heute große Nachwuchsprobleme, nicht zuletzt deshalb, weil es in den Schulen auch weit in den Nachmittag hinein Unterricht gibt und die Zeit danach höchstens noch für einen Sportverein, bei den Jungen meist Fußball, reicht. Muss das nicht mittelfristig zum Aussterben besonders kleinerer Vereine führen und wie könnte man das ändern?

Wenn der Unterricht oder die Ganztagsangebote der Schulen sich immer weiter in den Nachmittag hineinziehen, ist es wichtig, dass sich Schule und Vereine auf Augenhöhe begegnen. Vereine sind durchaus ansprechbar, ihre Angebote auch in die Schulen zu verlagern – scheitern manchmal jedoch an Desinteresse. Das ist schade, denn Vereine gehören zu unserer Kultur und leisten so viel nonformale Bildungsarbeit, auf die ich nicht verzichten möchte.

Ein anderes Problem in vielen Sportvereinen ist der Mangel an Ehrenamtlichen, die sich im Verein als Trainer, Jugendbetreuer oder in der Organisation betätigen. Zeitmangel spielt auch eine große Rolle. Gibt es Ideen in der Politik, die Vereine zu unterstützen oder das Ehrenamt in irgendeiner Weise zu fördern?

Nordrhein-Westfalen fördert das Ehrenamt an vielen Stellen, zudem machen wir uns gerade auf den Weg, eine Ehrenamtsstrategie für das ganze Land zu entwickeln – mit Beteiligung aller, die mitmachen wollen. Dazu werden wir u.a. Infobusse in jede Region schicken, da kann jeder seine oder ihre Meinung sagen, was fehlt, was gut ist oder Ideen einbringen. Nach 1,5-2 Jahren sollten wir dann so viele Anregungen haben, dass wir daraus ein Programm gestalten können. Der Landessportbund hat übrigens bereits mit einem Jahr des Ehrenamtes begonnen, wo sich alle Vereine melden können, die etwas Gutes fürs Ehrenamt machen und dafür dann auch Unterstützung bekommen. Ohne Ehrenamt geht einfach nichts, daher glaube ich an das Bemühen aller, Ehrenamt gut gestalten zu wollen.

Wird auch das Schach in NRW von ihrer Arbeit als Staatssekretärin auch profitieren?

Gerade letzte Woche habe ich mich mit dem Präsidenten des Schachbundes NRW, Ralf Niederhäuser, in der Staatskanzlei getroffen, wo wir mit Ralf Schreiber, der tatsächlich seit 50 Jahren ununterbrochen ehrenamtlich im Schach tätig ist, einen Kaffee getrunken (und natürlich eine Partie gespielt) und über sein Projekt Schach für Kids gesprochen haben. Das war übrigens nicht das erste Mal, ich war schon zu Turniereröffnungen in Hennef und in Brühl. Es gab jedes Mal einen offenen Austausch auch über anstehende Themen.